Der Besitz Caillebotte

Mai 22, 2022

Der Besitz Caillebotte

Der Ort Yerres ist schon seit dem Mittelalter bekannt und zog im Laufe der Jahrhunderte viele Aristokraten und bekannte Personen an. Das Yerres-Tal wurde als Touristenort geschätzt, da es nur 20km von der Hauptstadt entfernt lag und Vergnügungsgärten im „englischen“ Stil bot.

Obwohl das Dorf landwirtschaftlich geprägt war, hausten hier Menschen, die der Monarchie nahe standen, und uns ein wichtiges Kulturerbe hinterlassen haben. Darunter befinden sich Burgen und Klöster, von denen noch einige zu sehen sind, wie zum Beispiel das Château Budé oder der Besitzt Caillebotte. Diese prächtige Residenz und ihr Garten im Herzen der Stadt waren von 1860-18789 in Besitz der Familie Caillebotte. Der berühmte französische Maler Gustave Caillebotte schuf hier mehr als 80 impressionistische Gemälde. Sie zeugt vom luxuriösen Alltagsleben einer bürgerlichen Familie vom Ende des 19. Jahrhunderts und erhielt 2012 vom Kulturministerium die Bezeichnung „Maison des Illustres“ (Häuser der Dichter und Denker). 2017 wurde die Villa im neoklassizistischen Stil restauriert und neu eingerichtet.

Geschichte des Anwesens

Im Jahr 1824 kaufte der bekannte Chefkoch Pierre-Frédéric Borrel das Herrenhaus, das sich an dieser Stelle befand und ließ es 1830 zur heutigen Residenz nach italienischem Vorbild mit palladianischen Kolonnaden umbauen und nannte es Casin. Frédéric Borrel war der ehemalige Oberkellner von Jean-Pierre de Montalivet, Innenminister von 1809 bis 1814 und arbeitete im Restaurant Au Rocher de Cancale, das renommierteste Restaurant in Paris. Er kannte Persönlichkeiten wie Honoré de Balzac, der das Restaurant in mehreren seiner Romanen erwähnte, darunter "La fille aux yeux d’or" (dt. Das Mädchen mit den Goldaugen), "Illusions perdues" (dt. Verlorene Illusionen) oder auch "Le cabinet des antiques" (dt. Das Antiquitätenkabinett, 1923).

Den 11 Hektar großen Garten ließ er nach englischem Stil dekorieren und schuf die sogenannten Fabriken: die Eisgrotte, den eleganten japanischen Kiosk, der die Eisgrotte überragt, die Orangerie und die Ferme Ornée, die aus Ställen, Scheunen, einer Voliere und einer Molkerei besteht.

Durch die Julimonarchie (1830-1848) zeigte das Restaurant Au Rocher de Cancale erste Anzeichen des Bankrotts. Eine zunehmende Konkurrenz mit attraktiveren Preisen zwang Pierre-Frédéric Borrel sein Anwesen zu verkaufen.

Im Jahr 1843 erwarb Marie-Anne Biennais, Witwe des Goldschmieds Martin-Guillaume Biennais, der den Lorbeerkranz für Napoleons Krönung schuf, das Anwesen. Sie war auch die Cousine der ersten Frau von Martial Caillebotte, Vater des berühmten Künstlers. Dieser war ein wohlhabender Tuchhändler und belieferte die Armeen Napoleons III. Der Laden namens Le Lit Militaire befand sich in der Rue du Faubourg-Saint-Denis in Paris.

Nach dem Tod von Marie-Anne Biennais übertrugen ihre Erben den Besitz im Mai 1860 an ihre Cousine.

Die Familie Caillebotte wollte den Bauarbeiten des Baron Haussmann in Paris entfliehen und nutzte den Besitz als Sommerresidenz. Martial Caillebotte ließ weitere Fabriken errichten, wie die romanisch-gotische Kapelle für seinen Sohn Alfred aus erster Ehe, oder die schweizer Almhütte.

Während des deutsch-französischen Krieges 1870/1870 diente das Anwesen als Militärsitz.

1879 verkauften die Brüder Gustave und Martial ihre Villa and eine Amateurfotografin, deren Fotos in einem der Salons ausgestellt sind. Das verlassene Anwesen wurde 1973 von der Stadt Yerres für einen symbolischen Franken erworben.

Gustave Caillebotte - Maler des Impressionismus

Gustave Caillebotte erblickte am 19. August 1848 in Paris das Licht der Welt. Es war die dritte Ehe seines Vaters Martial Caillebotte, der zweimal verwitwet war. Seine Mutter, Céleste Daufresne war die Tochter eines Anwalts aus Lisieux. Gustave hatte einen älteren Halbbruder, Alfred, der zum Priester geweiht wurde und zwei jüngere Brüder, René, der im Alter von 25 Jahren verstarb und Martial.

1870 schloss er sein Jurastudium erfolgreich ab. Nur wenige Tage später wurde er zur mobilen Nationalgarde der Seine mobilisiert.

Nach dem Krieg begann er eine Ausbildung beim renommierten akademischen Maler Léon Bonnat. 1873 nahm er am Wettbewerb der schönen Künste teil, wo er den 46. Platz belegte. Dort lernte er auch Claude Monet kennen.

Die regelmäßigen Aufenthalte in Yerres ab 1860 trugen wesentlich zur seiner Leidenschaft der Malerei bei. Gustave fand Inspirationen im Garten und entlang des Flusses. Eine der Fabriken, die in seinen Werken am häufigsten vorkommt, ist zweifellos die Orangerie, ein neoklassizistisches Bauwerk, das zur Überwinterung von Zierorangenbäumen diente.

Seine Gemälde zeugen von Urlaubsatmosphären und Freizeitaktivitäten, vor allem dem Rudern. Er entwarf auch Pläne für Segelboote und errichtete eine Werft. Mit seinen Booten nahm er an Rennen auf der Seine teil, aber auch an der Küste der Normandie.

1875 nahm er mit seinem Gemälde "Les raboteurs de parquet" (die Parkettschleifer) an der Kunstaustellung Le Salon de Paris teil, die schon 1667 auf Wunsch König Ludwig XIV. initiiert wurde. Allerdings lehnte die Jury sein Werk ab, da die extreme Alltäglichkeit des Motivs schockierte. Außerdem war Caillebottes Kunststil zu avantgardistisch und gewagt, da er die Vogelperspektive auf vielen seiner Gemälde nutzte.

Es war diese Niederlage, die Gustave Caillebotte dazu drängte, an Ausstellungen der Impressionisten teilzunehmen.

Gustave war nicht nur ein talentierter Künstler, sondern auch Mäzen, der andere Maler finanziell unterstützte, darunter seinen Freund Monet, oder auch Pissaro und Renoir. Als bekannter Sammler und wohlhabender Erbe kaufte er die Gemälde anderer impressionistischer Künstler, die von der Öffentlichkeit zurückgewiesen wurden. Er sagte: "Niemand will es, ich kaufe es."

Im Februar 1894 verstarb Gustave Caillebotte im Alter von nur 45 Jahren an einem Schlaganfall. Sein Bruder Martiel und sein Freund Renoir vermachten dem Staat viele seiner Werke, die heute im Musée d'Orsay zu sehen sind.

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Besichtigung der Villa

2017 wurde durch aufwendige Renovierungsarbeiten die Villa wieder zu Zeiten des Malers eingerichtet. Das Erdgeschoss verfügt über ein Esszimmer, ein elegantes Wohnzimmer mit angrenzendem Billardzimmer und eine Küche mit ihrem gusseisernen Ofen, die heute als Boutique dient. Alle Räume sind sorgfältig dekoriert.

Im ersten Stock befinden sich die ehemaligen Zimmer, in denen man mehr über das Leben von Gustave und seinen Brüdern Alfred und Martial erfahren kann.

Am Ende des Gangs liegt das Hauptschlafzimmer, das vom Künstler bewohnt wurde. Es wurde identisch restauriert, mit Empire-Möbeln aus dem Jahr 1843, die von Martin-Guillaume Biennais für seinen eigenen Gebrauch angefertigt wurden.

Im obersten Stockwerk befindet sich das Atelier des Malers, das in einen Ausstellungsraum umgewandelt wurde. Regelmäßig werden Originalwerke von Caillebotte und seinen Zeitgenossen ausgestellt.