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L'Odéon - Théâtre de l'Europe: Ein Theater zu Ehren der Comédie Française und seine ereignisreiche Geschichte

Das französische Staatstheater namens „Odéon – Théâtre de l’Europe“, im 6. Arrondissement von Paris, ist das älteste Denkmal-Theater Europas und wurde am 09. April 1782 von Königin Marie-Antoinette (1755-1793) für die Gruppe der Comédie Française eingeweiht. Es erlebte seit seiner Eröffnung mehrere Namenswechsel, Besetzungen, Insolvenzen und zwei Brände.

Dank seiner neuklassischen Fassade und seinen acht imposanten Säulen zieht es die Blicke der Passanten an und versetzt in Staunen. Viele bekannte Autoren durften hier ihre Stücke in Szene setzen und manch bekannter Darsteller glitt über die historischen Dielen.

Seit dem 07. Oktober 1947 steht es unter Denkmalschutz.

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Die Geschichte des Theaters

Theateraufführungen spielten am Hofe des Königs eine wichtige Rolle.
Es war der Sonnenkönig, Ludwig XIV. (1638-1715), der Im Jahr 1680 Molières Truppe das Monopol auf Theateraufführungen gewährte und nannte sie offiziell “Comédie Française“. Die Gruppe zog in die heutige Rue de l’Ancienne Comédie Nummer 14, nur einen Steinwurf vom heutigen Odéon entfernt. Es sollte noch ein Jahrhundert dauern, bis die Truppe ihr erstes Denkmal-Theater in Paris erhielt.

Die Idee zum Bau eines Theaters für die Comédie Française

Der Architekt Marie-Joseph Peyre (1730-1785), Bewunderer der antiken griechischen und römischen Architektur, wurde im Jahr 1767 vom Marquis de Marigny, Direktor der Bâtiments du Roi, beauftragt, einen neuen Ort für die Comédie Française zu schaffen. Durch ein Dekret des königlichen Rats geschah dies auf dem Gelände des ehemaligen Hôtel de Condé, im Quartier Latin und ganz in der Nähe des Jardin du Luxembourg, in dem damals der Bruder des Königs lebte. Die Darsteller leisteten Widerstand, doch man drohte ihnen mit dem Entzug ihrer Privilegien und der Bildung einer neuen Truppe.

Somit begannen die Arbeiten im Mai 1779. Das Bauwerk im neoklassischen Stil mit strengen Linien ist von der Villa Pisani, die von Andrea Palladio in Venetien errichtet wurde, inspiriert. Das ursprüngliche Gebäude befand sich zwischen zwei Pavillons und war mit diesen durch Bögen verbunden. Unter den Arkaden richteten Buch- und Musikhändler, Konditoren, Cafés und Lederwarenhersteller ihre Boutiquen ein. Sie konnten so vom regen Hin und Her der Kundschaft des Odéons leben.

Für die Dekoration des Innenbereichs war der Architekt Charles de Wailly (1730-1798) verantwortlich. Der halbkreisförmige Theatersaal im italienischen Stil, bot dem Publikum Sitzmöglichkeiten im Parkett, was eine Neuheit war.

Im Februar 1782 zog die Truppe Comédie Française in das neue Theater. Eingeweiht wurde es am 09. April 1782 von Königin Marie-Antoinette. Zwei Jahre später feierten sie den ersten großen Erfolg mit dem Stück “La Folle Journe ou Le Mariage de Figaro“ (deutsch: Figaros Hochzeit) von Beaumarchais (1732-1799). König Ludwig XVI. (1754-1793) war gegen die Aufführung, da das Stück den Konflikt zwischen dem Adel und dem Volk illustriert und damit die Noblesse verhöhnte.

Nach dem Bau des Theaters wurden in der "Rue de la Comédie", heute "Rue de l’Odéon" Gehwege angelegt. Dies war etwas ganz Besonderes, da es zu dieser Zeit nur an einem Ort Bürgersteige in Paris gab, auf der Pont Neuf Brücke aus dem Jahr 1607.

Quelle: BNF Gallica


In den Wirren der Revolution

Schon wenige Jahre später, mit Beginn der französischen Revolution, wurde das Theater durch ein Dekret in "Théâtre de la Nation" umbenannt. Die Gruppe verlor ihre Sonderrechte durch ein Gesetz über die Freiheit der Theater in 1791. Zudem verbot König Ludwig XVI. das Theaterstück Charles IX., was einen Konflikt zwischen königstreuen und "republikfreundlichen" Schauspielern auslöste. So verließen die Letzteren das Theater im April 1791 und zogen in einen neuen Saal im Palais Royal, das "Théâtre de la République", der heutigen Comédie Française. Es war also die Gruppe, die dem Gebäude seinen Namen gab.

Die Schauspieler, die im Theater zurückblieben, wurden verhaftet und konnten erst nach dem Sturz von Robespierre im August 1794 wieder auf die Bühne treten. Währenddessen schloss das Theater ein Jahr lang, bevor es in "Théâtre de l'Égalité" umbenannt wurde und nur Aufführungen vom Volk und für das Volk darbot. Zugunsten eines großen, egalitäreren Amphitheaters wurden Logen und Balkons entfernt, doch sechs Monate später führten die turbulenten politischen Kundgebungen zu einer weiteren Schließung.

Im Laufe der Jahre wechselte es noch mehrere Male seinen Namen. So hieß es von 1794 bis 1796 "Théâtre de l'Égalité", bevor es am 13. Juli 1769 vom Entertainment-Unternehmen Dorfeuille & Cie in "Théâtre de l'Odéon" umbenannt wurde. Auf Grund fehlender Rentabilität wurde das Schauspielhaus 1799 wieder geschlossen. Einen Monat später verwüstete ein Brand das Gebäude und blieb bis 1808 als Ruine erhalten.


Kaiserreich, Julimonarchie und Republik

Im selben Jahr übergab Napoleon Bonaparte (1769-1821) das zerstörte Theater dem Senat und übertrug ihm damit geschickt die Verantwortung für die Restaurierung. Das Projekt wurde Chalgrin (1739-1811) anvertraut, dem Architekten des Senats und des Arc de Triomphe. Er baute das Theater identisch wieder auf. Es wurde in "Théâtre de l'Impératrice et Reine" umbenannt, bis es am 2. März 1818 erneut von Flammen heimgesucht wurde. Der Dachstuhl stürzte ein, doch die Fassaden, Logen und Treppenhäuser blieben verschont. Es war der Architekt Pierre Thomas Baraguay (1748-1820), Stellvertreter Chalgrins, der mit dem Wiederaufbau beauftragt wurde. Im September 1819 wurde der neue Saal von Ludwig XVIII. unter dem Namen "Odéon - Second Théâtre-Français" eingeweiht. Es wurden große Erfolge gefeiert, darunter Stücke von Alexandre Dumas.

1832 wurden die Arkaden über den Seitenstraßen entfernt und die beiden Nebengebäude verkauft. Doch 1848 ging es aus finanziellen Gründen seiner Schließung entgegen. Victor Hugo schrieb:“Das Odéon ist immer verlassen.“

Von 1853-1870 hieß das Schauspielhaus "Théâtre Impérial de l'Odéon". Ein besonderes Ereignis war der Auftritt von Sarah Bernhard, eine der bekanntesten französischen Schauspielerin des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Sie wurde 1862 von der Comédie Française engagiert und spielte die Rolle der Aricie in der Tragödie Phèdre (Phädra) von Jean Racine. Bekannt wurde sie auch durch die Jugendstilplakate von Alfons Mucha, die sie zu einer wahren Ikone der Belle Epoque machten.

Während der Belagerung von Paris im Jahr 1870 erhielt die Darstellerin vom Kriegsministerium die Genehmigung, im Foyer des Theaters ein "Militärkrankenhaus" einzurichten. Sie pflegte den späteren Marschall Foch, den sie 1915 während des ersten Weltkriegs an der Front der Maas wieder traf.

1959 wurde das Theater von André Malraux dem Schauspieler Jean-Louis Barrault unter dem Namen "Théâtre de France" anvertraut. Eingeweiht wurde es im Oktober 1959 in Anwesenheit vom General de Gaulle mit einem Stück von Paul Claudel, jüngerer Bruder der bekannten Bildhauerin Camille Claudel.

Im Mai 1968 protestierten Studenten, besetzten und verwüsteten das Theater.
Im August 1971 fand ein erneuter Namenswechsel statt. Das "Théâtre national de l'Odéon" behielt seinen Namen bis Mitte 1990, als es per Dekret seine Unabhängigkeit von der Comédie Française erhielt. Seitdem ist es unter dem Namen "Odéon–Théâtre de l'Europe" bekannt.

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Besichtigung des Theaters

Das Odéon liegt heute im belebten Studentenviertel Quartier Latin, ganz in der Nähe der Sorbonne und des Jardin du Luxembourg. Das imposante Gebäude befindet sich auf einem halbkreisförmigen Platz, der von sich gleichenden Wohnhäusern umgeben ist, die nach Peyres Entwürfen erbaut wurden.

Der quadratische Eingangsbereich ist mit dorischen Säulen dekoriert und öffnet sich zu zwei symmetrischen Treppen, die zum Foyer führen. Ein Jahr nach der Eröffnung des Theaters wurde ein neues Foyer geschaffen. Bei diesen Arbeiten wurde auch eine Öffnung in der Decke geschlossen, die Tageslicht hereinließ. Eine große Anzahl der Skulpturen, die 1783 das Foyer schmückten, wurden nach dem ersten Brand 1799 in den Richelieu-Saal verlegt, darunter die weiße Marmorstatue des sitzenden Voltaire.

Die Vorhalle ist mit Karyatiden aus dem Jahr 1818 geschmückt. Diese sind kreisförmig unter der Kuppel angeordnet.

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Der ursprünglich kreisförmige Saal wurde 1808 durch Chalgrin in einen ellipsenförmigen Raum umgewandelt. Er bietet Platz für 800 Zuschauer. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die ursprünglich weißen Wände in Blau-, Rot- und Brauntönen gestrichen. Die Decke wurde 1965 vom Maler André Masson, mit Anspielungen auf mythische Figuren, neu dekoriert. Das Gemälde ersetzt das von Jean-Paul Laurens aus dem Jahr 1888.

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Heutzutage werden die Theaterstücke noch immer in den ursprünglichen Räumlichkeiten aufgeführt. Seit 2003 gibt es einen zweiten Saal im 17. Arrondissement, die Ateliers Berthier, mit einer Kapazität von 450 Sitzplätzen. Dabei handelt es sich um ein ehemaliges Dekorlager der Opéra Garnier. Der Saal wurde mit dem Stück Phèdre (Phädra) von Jean Racine eingeweiht. Die Programmierung erfolgt nun an beiden Standorten.

Führungen finden in der Regel nur ein Mal pro Monat statt, samstags um 11 Uhr. Empfohlen ab 9 Jahren, Dauer 1 Stunde. Reservierung erforderlich! Weitere Informationen gibt es auf der offiziellen Seite.

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