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„Reisen ist wie Träumen: Der Unterschied besteht darin, dass sich nicht jeder beim Aufwachen an etwas erinnert, während jeder die Erinnerung an das Ziel, von dem er zurückgekehrt ist, warm hält.“ - Edgar Allan Poe

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Die Sansons - Henkerfamilie mit langer Tradition

Die Familie Sanson ist untrennbar mit der Geschichte Frankreichs verbunden und ihr trauriger Ruf hallt auch heute noch durch Paris...

Diese berühmte Henkerfamilie aus der Normandie schuf eine wahre Dynastie an Henkern, die von 1688 bis 1847 mit einer unglaublichen Professionalität ihren Beruf ausübte und diesen vom Vater an den Sohn weitergab. Ihr Name ist bis heute mit der Hinrichtung König Ludwigs XVI. und mit vielen weiteren bekannten Personen verbunden.


Henker - Ein Beruf wie kein anderer

Über Jahrhunderte hinweg waren Henker für die Hinrichtung der Verurteilten zuständig, bis die Todesstrafe am 09. Oktober 1981 in Frankreich abgeschafft wurde. Der letzte Henker Frankreichs war Marcel Chevalier. Doch vor ihm schufen Henkerfamilien wahre Dynastien, darunter die Familien 
Jouënne, Desfourneaux und Sanson.

Der Beruf des Henkers tauchte erst im 13. Jahrhundert in Europa auf. Nach und nach wurde der Scharfrichter der alleinige Vollstrecker von Todesstrafen.
Davor war es üblich, dass das Volk für Gerechtigkeit und Hinrichtungen sorgte, zum Beispiel durch Steinigung. Schließlich war es eine Schande, seine Ehre nicht selbst zu verteidigen. Jedoch gab es zu Beginn des Mittelalters weitaus weniger Hinrichtungen, als man denken könnte. So waren Geldstrafen oder Verbannung zu diesem Zeitpunkt sehr beliebt.

Es war das Staatsoberhaupt allein, das über Leben und Tod entscheiden konnte. Auch wenn der Henker im Namen des Gesetzes handelte, war er es, der das Blut der Verurteilten an seinen Händen trug. Er hatte zwei Arten von Exekutionen zu beachten: den ehrenvollen Tod, bei dem sich das Blut auf dem Boden vergoss und den berüchtigten Tod, bei dem die Verurteilten nicht den Borden berühren durften, um diesen nicht zu verunreinigen. Aus diesem Grund wurde das Schafott errichtet, und nicht zur Bloßstellung oder für eine bessere Sicht des Volkes. Auch der Rang des Verurteilten spielte für die Hinrichtungsmethode eine Rolle.

Der Beruf des Henkers hatte nichts Ehrenvolles, ganz im Gegenteil. Sie lebten wie Ausgestoßene der Gesellschaft, wohnten am Stadtrand, in Häusern deren Türen rot gestrichen waren. Sie mussten helle, meist rote Kleindung tragen, die and das vergossene Blut erinnerte und somit dem Volk ermöglichte, sie sofort zu erkennen und zu meiden. Ihren Kindern war es untersagt, eine schulische Ausbildung zu erhalten. Auch wenn ein Henker versuchte, so normal wie möglich zu leben, waren die sozialen Kontakte stark begrenzt. Wer wollte schon den Sohn oder die Tochter eines Henkers heiraten? In den meisten Fällen heirateten die Kinder der Henkerfamilien untereinander und lebten mit der Schande. So waren die meisten Henker also Cousins, denen der Papst Ablässe gewährte, um heiraten zu können. Dies führte zur Entstehung der Henkerdynastien: die Larousse in Bourges, Jouënne in Rouen, Zelle in Soissons, Rochu in Nancy und, die bekannteste von ihnen, die Sanson in Paris.
Darüber hinaus waren Kinder einer Henkerfamilie die besten Kandidaten für diesen Beruf. Seit ihrer Kindheit halfen sie ihrem Vater bei den Hinrichtungen. Sie wussten, wie man die Verurteilten folterte, ohne sie zu töten und so die Tortur und die Qual zu verlängern.

In Südfrankreich konnten zum Tode verurteilte Menschen begnadigt werden, wenn sie akzeptierten, den Beruf des Henkers auszuüben. Eine originelle Idee, um Kandidaten für diesen morbiden Beruf zu finden.

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ein Scharfrichter unter Ludwig XV.
Quelle: Wikipedia


Die Sansons - über 150 Jahre Hinrichtungen

Eine der ältesten Henkerlinien ist die "Jouhanne", heute als "Jouënne" bekannt, die bis ins  13. Jahrhundert in der Normandie zurückreicht. Der Henker Nicolas Jouhanne ging als "La Justice" (z. dt. die Gerechtigkeit) in die Geschichte ein.

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts ließ sich die Familie Sanson in Abbeville nieder und führte ein ganz gewöhnliches Leben. Als der Offizier Charles-Louis Sanson Marguerite Jouënne zu seiner Geliebten wählte, wusste er noch nicht, dass sie aus einer Henkersfamilie stammte. Als Marguerites Vater Pierre Jouënne ihre Liebschaft entdeckte, zwang er das Paar 1675 zur Heirat. Charles-Louis Sanson war gezwungen den Beruf des Vollstreckers zu erlernen und gegen seinen Willen die damit verbundenen Tätigkeiten ausüben. Der Beginn einer schweren Verantwortung für die Familie Sanson, von denen 18 Mitglieder als Scharfrichter tätig waren.


Charles Sanson (gestorben 1707)
Seine Karriere begann als Henkersgehilfe seines Schwiegervaters Pierre Jouënne. Seine ersten Schritte in diesem neuen Beruf waren schwierig, da er ohnmächtig wurde, als er einen Verurteilten foltern und hinrichten sollte. Die anwesende Menschenmenge war darüber empört und buhte ihn aus.

Im Jahr 1681 erblickte sein Sohn Charles Sanson II. das Licht der Welt. Wenige Jahre später, Ende 1685 starb seine Frau und Charles verließ mit seinem Sohn Rouen. Ab 1687 war er in Paris als Henkersgehilfe tätig und ein Jahr später trat er in die Fußstapfen von Nicolas Levasseur, der wegen Zuhälterei entlassen wurde.
Als sein Sohn 15 Jahre alt war, lehrte Charles Sanson ihn seinen morbiden Beruf und nur zwei Jahre später übernahm Charles Sanson II. die Tätigkeiten. Charles Sanson heiratete 1699 die Henkerstochter Jeanne Renée Dubut aus Melun und zog sich mit ihr ins Departement Aisne zurück, wo er 1707 verstarb.


Charles Sanson II (1681 - 1726)
Nachdem Charles Sanson II. schon als Jugendlicher mit den Tätigkeiten eines Vollstreckers vertraut gemacht wurde, vollzog er seine erste Hinrichtung am 19. Juni 1699 im Alter von nur 18 Jahren auf dem Place de Grève (heutiger Rathausplatz) in Paris. Es war die Enthauptung von Angélique-Nicole Carlier, die wegen mehrfach versuchten Ehemordes verurteilt wurde. Ihr Verhalten am Tag ihrer Enthauptung beeinflusste den jungen Henker emotional so sehr, dass er seine Schläge drei Mal verfehlte, bevor er ihr den Kopf abtrennte.
1707 heiratete er die Schwester seiner Stiefmutter, Anne Marthe Dubut und 1719 kam sein Sohn Charles Jean-Baptiste Sanson zur Welt.
Die Exekution des berühmten Bandenführers und Räbers Cartouche (sein richtiger Name war Louis Dominique Garthausen) am 28. November 1721 in Paris, brachte Charles Sanson II. Ruhm und ließ ihn in die Geschichte eingehen. Er verstarb 1726 und wurde in der Kirche Saint-Laurent neben seinen Eltern beigesetzt.


Charles Jean-Baptiste Sanson (1719 - 1788)
Charles Jean-Baptiste Sanson war gerade einmal sieben Jahre alt, als er seinen Vater verlor. Da die Königsfamilie mit der Professionalität der Sansons sehr zufrieden war, musste man einen Lehrer für den jungen Jean-Baptiste finden, der eine angemessene Ausbildung garantieren konnte. So heiratete seine Mutter 1727 den Henker François Prudhomme, ein Spezialist der Folter, der die Ausbildung des jungen Sanson übernahm. Kein Wunder, dass Jean-Baptiste jede Form der Folter erlernte und im Alter von 18 Jahren seine erste Hinrichtung durchführte. 1739 wurde er offiziell Scharfrichter der Stadt.
Mit seiner ersten Ehefrau Madeleine Tronson hatte er einen Sohn, Charles-Henri Sanson, geboren 1739. 1741 heiratete er Jeanne Gabrielle Berger, selbst Tochter des Henkers von Sens und Enkelin des Henkers von Étampes.
Nach einem Schlaganfall 1754 war Jean-Baptiste halb gelähmt und musste seinen Beruf aufgeben. Er zog sich noch im selben Jahr nach Brie-Comte-Robert zurück.
Sein Sohn, gerade einmal 15 Jahre alt, hatte dans andere Dinge im Kopf, als Menschen zu töten. Für dessen Ausbildung bat er seinen Stiefvater François Prudhomme, mittlerweile Henker in Vannes, um Hilfe.


Charles-Henri Sanson (1739-1806)
In kürzester Zeit musste Charles-Henri den grauenvollen Beruf erlernen. François Prudhomme war sehr streng mit ihm und der junge Mann sollte der berühmteste Sanson der französischen Geschichte werden. Er ist heute als "Grand Sanson" bekannt und seine Familie ist durch ihn legendär geworden.

1757 musste er seinem Onkel Nicolas-Charles-Gabriel Sanson bei der Hinrichtung Damiens, der wegen versuchten Königsmordes von Ludwig XV. verurteilt wurde, helfen. Sein Vater war der Vorsitzende der Urteilsvollstreckung.
Dieses Ereignis blieb in seiner Erinnerung eingraviert und verfolgte ihn sein ganzes Leben lang. Denn Damiens Folter und Tod waren sehr grauenhaft und dauerten über zwei Stunden. Es war Charles-Henri unmöglich, seinen Onkel bis zum Eintreten des Todes zu unterstützen.

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Hinrichtung von Robert François Damien 1757 auf dem Place de Grève (heutiger Rathausplatz)
Quelle: Paris Musées


Im Jahr 1766 heiratete er Marie Anne Jugier, die ihm zwei Söhne schenkte.
Als 1789 die Revolution ausbrach, verloren mehr als 2.500 Menschen ihre Köpfe durch seine Hand. Charles Henri trug einen wesentlichen Teil zur Erfindung der Guillotine bei. Schließlich war er es, der sich über die Ermüdung durch mehrere, wiederholende Enthauptungen am selben Tag beklagte. Er war es, der die Guillotine zum ersten Mal bei der Hinrichtung des Verbrechers Nicolas-Jacques Pelletier im Jahr 1792 benutzte. Die Köpfe des Königspaars Ludwig XVI. und Marie-Antoinette, sowie vieler Revolutionäre, darunter Georges Danton, Maximilien de Robespierre, Charlotte Corday, Camille Desmoulins und Olympe de Gouges sollten bald folgen.

Seine Karriere dauerte 38 Jahre, bevor sein Erstgeborener Henri 1795 die Nachfolge seines Vaters antrat. Sein zweiter Sohn Gabriel war ab 1790 als Henkergehilfe tätig, starb jedoch bei einem Unfall 1792 indem er von Schafott stürzte und sich das Genick brach.
Charles Henri starb am 4. Juli 1806. Ihm war es auch zu verdanken, dass seine Nachfolger trotz ihres Berufes als respektable Menschen im gewöhnlichen Wohnviertel leben konnten und keine Ausgestoßenen mehr waren.

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Hinrichtung Ludwigs XVI. am 21. Januar 1793 auf dem Place de la Révolution (heute Place de la Concorde)


Henri Sanson (1767-1840)
Henri Sanson war in der Nationalgarde und half seinem Vater bei vielen Exekutionen während der französischen Revolution. Doch nach der brillanten Karriere seines Vaters, war es für ihn schwer in dessen Fußstapfen zu treten Eine seiner bekanntesten Hinrichtungen war die von Louis Pierre Louvel im Jahr 1820, der wegen Ermordung des Herzogs von Berry verurteilt wurde. Als Henri 1840 starb, übernahm sein Sohn Henri-Clément die Stelle.


Henri-Clément Sanson (1799-1889)
Der letzte Sanson der langen Henkerdynastie war Henri-Clément. Der Beruf interessierte ihn kaum und er langweilte sich. Zwischen 1840 und 1847 gab es nur 18 Hinrichtungen durch die Guillotine. Um sich zu beschäftigen, verbrachte er viel Zeit in Kasinos, verlor Geld und häufte Schulden an. Er verpfändete sogar die Guillotine, der Staat musste die Schulden begleichen, um einen Verurteilten hinrichten zu können und Henri-Clément landete im Gefängnis. Außerdem war er homosexuel, war dem Justizminister gar nicht gefiel, der Henri-Clément seines Amtes enthob. 1889 starb er in Versailles und mit ihm der schauderhafte Ruf einer Familie.
Es war Joseph Heidenrech, Sohn des Henkers von Mâcon, der das Amt übernahm.


Besuch bei den Sansons

Wer den Sanson einen Besuch abstatten möchte, kann sich auf den Friedhof in Montmarte begeben. Dort wurden Charles-Henri, der Henker der Revolution, sein Sohn Henri und sein Enkel Henri-Clément begraben (20. Division, Nr. 89 auf dem Plan).
Ihr Haus, bekannt als "Maison du bourreau", befindet sich heute noch immer in Provins, im Departement Seine-et-Marne.

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Die Orte "Place de la Grève" und "Place de la Révolution" zeugen heute nicht mehr von ihren grauenvollen Tätigkeiten. Neben diesen beiden Plätzen gab es noch weitere Hinrichtungsorte in Paris.

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