Zitat der Woche

"Der Weg den du alleine gehst, ist zwar am härtesten, aber er macht dich stark!” - unbekannt

Translate

Die Mouzaïa – Ein verborgenes Wohnviertel auf der Butte Beauregard

Nur wenige Schritte vom dicht bebauten Place des Fêtes entfernt liegt ein Viertel, das mit dem umliegenden Stadtbild kaum etwas gemein hat, die Mouzaïa. Hinter schmalen Zugängen öffnet sich ein Geflecht kleiner, meist verkehrsfreier Gassen, gesäumt von kleinen, aneinandergereihten Stadthäusern, die jeweils über einen liebevoll angelegten Vorgarten verfügen. Blumen, Kletterpflanzen und Hecken prägen das Straßenbild und verleihen dem Viertel eine fast ländliche Atmosphäre.

Die Mouzaïa befindet sich auf der ehemaligen Butte de Beauregard, einem Hügel, der im 18. Jahrhundert noch landwirtschaftlich genutzt wurde. Ab dem späten 19. Jahrhundert entstanden hier rund 250 Häuser für Arbeiter, die in den darunterliegenden Gipssteinbrüchen tätig waren. Genau diese von Stollen durchzogenen Untergründe sind der Grund dafür, dass das Viertel bis heute erhalten blieb. Größere Wohnblocks ließen sich auf diesem instabilen Fundament schlicht nicht errichten.

Heute zählt sie zu den begehrtesten Wohnlagen und wird vor allem von einer privilegierten, urbanen Mittelschicht bewohnt.

paris-mouzaia-mikroviertel

Entstehung eines besonderen Stadtgefüges

Zwischen den Parks Buttes-Chaumont und Chapeau Rouge, im Schatten moderner Hochhäuser, wirkt das Mikroviertel Mouzaïa wie eine andere Welt zwischen den Straßen Rue de Mouzaïa, Rue Miguel-Hidalgo, Rue David-d’Angers und Rue de Bellevue. Sie liegt im Verwaltungsviertel „Amérique“ des 19. Arrondissements von Paris und unterscheidet sich deutlich von den umliegenden, dichter bebauten Stadtteilen.

Das Quartier d’Amérique, heute das 75. Verwaltungsviertel von Paris, ging in weiten Teilen aus den ehemals selbstständigen Gemeinden Belleville und La Villette hervor, die 1860 in die Stadt Paris eingegliedert wurden. Prägend für seine Entwicklung waren die sogenannten Carrières d’Amérique, aus denen bis ins 19. Jahrhundert Gips und Sandstein für den Bau zahlreicher Pariser Gebäude gewonnen wurden. Entgegen einer hartnäckigen Legende, wonach ein Teil des Materials bis in die Vereinigten Staaten exportiert und für den Bau des Weißen Hauses verwendet worden sein soll, handelt es sich dabei um einen Mythos, der durch offizielle Informationstafeln der Stadt Paris widerlegt wird.

Ähnlich wie die Cité Florale im 13. Arrondissement, die Villa Santos-Dumont im 15. oder La Campagne à Paris im 20. war auch die Mouzaïa ursprünglich eine Arbeitersiedlung.

paris-mouzaia-wohnhaus-sandstein

Der Name Mouzaïa stammt von einem gleichnamigen Ort in Algerien (Col de Mouzaïa), nahe dem es während der französischen Kolonialexpansion im Mai 1840 zu einer militärischen Auseinandersetzung kam.

Das heutige Viertel entwickelte sich ab den 1880er-Jahren im Zuge der Eingliederung der umliegenden Gemeinden in Paris.

Die Stadt stand damals vor großen sozialen Herausforderungen und verfolgte zunehmend das Ziel, den sozialen Wohnungsbau zu fördern, um die prekären Wohnverhältnisse der arbeitenden Bevölkerung zu verbessern. Neue gesetzliche Rahmenbedingungen wurden geschaffen, darunter die „Siegfried-Gesetzgebung“ vom 30. November 1894, ein Meilenstein für die damalige Zeit. Diese unterstützte ausdrücklich die Gründung von preisgünstigen Wohnraum („Habitations à bon marché“ HBM) und erleichterte den Zugang zu öffentlichen Krediten.

In diesem Kontext spielte der Architekt und Bauunternehmer Paul Casimir Fouquiau (1855-1912) eine Schlüsselrolle. Er nutzte die neuen gesetzlichen Möglichkeiten, um einfache, funktionale Wohnhäuser zu errichten, die den zeitgenössischen hygienischen Anforderungen entsprachen.

Die Mouzaïa wurde auf ehemaligen Gipslagerstätten errichtet, die vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert ausgebeutet wurden. Diese „Carrières d’Amérique“ erstreckten sich einst über eine Fläche, die größer war als das heutige Viertel selbst. Nach dem Ende des Abbaus blieb ein unattraktives, schwer bebaubares Gelände zurück.

Aufgrund des von Stollen durchzogenen Untergrunds durften die Gebäude lediglich aus einem Erdgeschoss und einem Obergeschoss bestehen, Keller waren untersagt. Es entstanden standardisierte Haustypen mit kleinen Grundrissen, Vorgärten zur Straße hin und rückwärtigen Höfen für sanitäre Einrichtungen.

Die Häuser wurden überwiegend aus Backstein errichtet und entlang steiler, schmaler Straßen angeordnet, die sich dem natürlichen Gefälle der ehemaligen Steinbrüche anpassten. Viele dieser Wege waren zunächst privat und wurden erst später für die Öffentlichkeit freigegeben, was die ungewöhnliche, fast ländliche Struktur des Viertels erklärt. Viele ursprünglich sichtbare Backsteinfassaden wurden später verputzt.

paris-mouzaia-villa-claude-monet

paris-mouzaia-dekoration-backstein-fassade


Architektur und soziale Entwicklung

Bis in die 1920er-Jahre wuchs die Mouzaïa kontinuierlich entlang dieses Modells. In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen wurden einzelne Häuser größer geplant, sodass zwei Familien darin wohnen konnten. Fortschritte wie die Integration von Toiletten in den Wohnhäusern verbesserten den Lebensstandard erheblich.

Ein markantes Beispiel dieser späteren Entwicklung ist der Hameau du Danube in der Rue du Général-Brunet. Diese Anlage besteht aus 28 Pavillons, die zwischen 1923 und 1924 errichtet wurden. Die ringförmige Anordnung der Häuser verleiht dem Ensemble eine geschlossene, fast dörfliche Ausstrahlung. 1926 wurde der Hameau du Danube mit dem Fassadenpreis der Stadt Paris ausgezeichnet, was seinen architektonischen Stellenwert unterstreicht. Die Häuser waren komfortabler als die frühen Arbeiterwohnungen und richteten sich vor allem an Angestellte.

Parallel entstanden weitere Villenstraßen sowie kleinere soziale Wohnanlagen und Künstlerateliers, die das Viertel ergänzten, ohne seinen Maßstab zu verändern.

paris-mouzaia-gasse-verzierung

Abgrenzung, Schutz und heutiger Charakter

In den 1970er-Jahren geriet die Mouzaïa unter Druck, als Investoren begannen, große Teile des 19. Arrondissements zu verdichten. Während umliegende Zonen von massiven Betonbauten geprägt wurden, blieb das Viertel aufgrund seines schwierigen Baugrunds zunächst verschont. Zugleich kämpften die Anwohner gegen die Zerstörung des charakteristischen, kleinteiligen Stadtbildes und bewirkten letztlich ein Umdenken.

1975 wurde das Gebiet rund um die Mouzaïa und die Buttes-Chaumont offiziell in das „Verzeichnis der schützenswerten Stadtlandschaften“ aufgenommen. Ein Jahr später bestätigte der Pariser Stadtrat diese Entscheidung, was zum dauerhaften Erhalt des Viertels führte.

Heute ist die Mouzaïa ein ruhiges Wohnquartier ohne Geschäfte innerhalb der kleinen Villenstraßen. Dienstleistungen und Infrastruktur konzentrieren sich auf die angrenzenden Hauptachsen.

paris-mouzaia-gasse-kopfsteinpflaster

paris-mouzaia-gasse-katze

paris-mouzaia-dekoration-blume

paris-mouzaia-dekoration-hase-fassade

paris-mouzaia-reihenhaeuser-hochhaeuser

paris-mouzaia-villa

Kommentare

Paris je t'aime

Beliebte Posts