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Hôtel Hérouet - Wiederaufbau eines Renaissance-Schmuckstücks nach der Bombardierung im August 1944

Das Hôtel Hérouet, an der Kreuzung Rue Vieille du Temple und Rue des Francs Bourgeois im dritten Arrondissement vom Paris, gehört zu den schönsten Überresten der Renaissance der französischen Hauptstadt. Es trägt den Namen von Jean Hérouet, Sekretär des Herzogs von Orléans (des späteren Königs Ludwig XII.) und Schatzmeister von Frankreich, jedoch wurde es im Auftrag von Jean Malingre erbaut, dessen Familie von Ludwig XI. in den Adelsstand erhoben worden war. Er war Berater des Königs im Parlament und ließ sich Anfang des 16. Jahrhunderts, in der Ecke des Grundstücks, ein Privathaus im Stil der Spätgotik errichten. Seine Tochter Marie heiratete Jean Hérouet.

Im August 1944 wurde es durch einen Bombenangriff stark beschädigt und in den 1970er Jahren vollständig wieder aufgebaut. Nur das achteckige Türmchen mit extravagantem Dekor ist glücklicherweise original erhalten geblieben.

Seit dem 15. Juli 1908 ist das Hôtel als historisches Denkmal eingestuft.

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Architektur und Geschichte des Hôtel Hérouet

Dieses kleine Renaissance-Hotel wurde um 1510 erbaut.
Das ursprüngliche Gebäude, das während der Übergangszeit vom Mittelalter zur Renaissance entstand, ist ein eindrucksvolles Beispiel für die überbordende Kunst der Gotik, ein Architekturstil, der der italienischen Renaissance vorausging. Zwei weitere Hôtels in Paris zeugen noch von dieser Epoche, das Hôtel de Sens und und das Hôtel de Cluny.

Die Fassaden waren mit roten und schwarzen Ziegelsteinen verkleidet, die rautenförmig angeordnet waren. Das in der Nähe gelegene Maison Coeur (36 rue des Archives) weist eine ähnliche Fassade auf. Für die blumengeschmückten Spitzbogenfenster, den Sockel und die Verankerungen der Öffnungen wurde Stein verwendet. Das Ecktürmchen, das mit seinem gotischem Dekor die Blicke auf sich zieht, ruht auf einer gemeißelten Konsole und verleiht dem Haus viel Charme. Es verfügte über ein dreiteiliges Fenster, das den Aristokraten die Beobachtung des lebhaften Treibens in der Nachbarschaft erleichterte. Oft beherbergten die Ecktürme Kämmerchen, Arbeitszimmer oder Wendeltreppen. Ein Spitzdach, mit einer aus Blei gegossenen Lilie, vervollständigte das Ensemble.

Eine Verordnung aus dem Jahr 1607 verbot den Bau von Überhängen und Vorsprüngen. Doch es dauerte noch weitere 60 Jahre, bis eine zweite Verordnung  die nach dem großen Brand von London erlassen wurde, dem Bau von Ecktürmen endgültig beendete.

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Jean Hérouet war während des Dritten Italienischen Krieges von 1501 bis 1504 Schatzmeister von Mailand, bevor er 1503 auch zum Schatzmeister von Frankreich ernannt wurde.
Der Konflikt zwischen Italien und Frankreich wurde durch die französischen Ansprüche auf das Königreich Neapel ausgelöst. Die Auseinandersetzungen endeten am 3. März 1504 mit dem Waffenstillstand von Lyon, in dem Ludwig XII. (1462-1515) auf das Königreich Neapel zugunsten von Ferdinand II. von Aragon verzichtete. Seine Nichte Germaine de Foix heiratete am 19. Oktober 1505, im Alter von 18 Jahren den 53-jährigen Ferdinand II, Witwer von Isabella I. von Kastilien.

Nach seiner Rückkehr nach Frankreich ging das Hôtel Hérouet durch seine Heirat mit Marie Malingre in die Familie Hérouet über, da es zur Mitgift gehörte. Als Jean verstarb, fiel es an seine Witwe zurück, die Jean Balue, einen Neffen des Kardinals und Bischofs von Angers, heiratete. Als Marie Malingre starb, wurden ihre Besitztümer zwischen den Kindern aus beiden Ehen aufgeteilt. Bis 1582 blieb es im Besitz derselben Familie.

Danach wurde es von Nicolas Pelloquin, dem Sekretär der Kammer des Königs, erworben. 1606 verstarb er und seine noch minderjährige Tochter Louise Pelloquin erbte das Hôtel. Es war ein gewisser Coulon, der ihre Besitztümer, bis zu ihrer Heirat mit Joseph Lemercier, verwaltete. Gegen 1623 verstarb Louise, der Besitz ging an ihre Tochter, doch schon seit 1621
 war die Familie verschuldet und das Anwesen wurde beschlagnahmt.

Das Hôtel und seine Grundstücke wurden bei einer Versteigerung in zwei getrennten Losen verkauft. Das Haus mit dem Turm auf der linken Seite gehörte Jean-Baptiste Brunet de Chailly, einem Berater des Königs, der auch das Hôtel Jeanne d'Albret einige hundert Meter entfernt (31 rue des Francs-Bourgeois) besaß. Sein Sohn Pierre de Chailly folgte ihm 1703 und anschließend dessen Neffe Charles du Tillet, Marquis de La Bussière und Herr von Villarceaux, im Jahr 1740. Im 18. Jahrhundert verließ die Aristokratie den Marais zugunsten des Faubourg Saint-Germain. Danach folgten die Revolution und die Modernisierungen während des zweiten Kaiserreichs mit großen Boulevards. Das Marais-Viertel geriet dabei ein wenig in Vergessenheit und wurde vernachlässigt.

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Quelle: BNF Gallica


Verfall, Zerstörung und Wiederaufbau

Im 19. Jahrhundert wurde im Erdgeschoss des Hôtel Hérouet ein Geschäft eingerichtet, aber schon Ende des 19. Jahrhunderts war das Gebäude sehr heruntergekommen. Es wurde im Troubadour-Stil, eine Baurichtung, die die Architektur des Mittelalters und der Renaissance vereint, wieder renoviert. Doch aufgrund der Vergrößerung der Kreuzung drohte ihm der sichere Abriss. Es war der Gelehrte Henri d'Allemagne, Mitglied der Commission du Vieux Paris (Gesellschaft für die Geschichte von Paris), der sich auf dekorative Kunst spezialisiert hatte und das Hôtel vor der Zerstörung bewahrte. Er kaufte das Haus und ließ es am 15. Juli 1908 unter Denkmalschutz stellen. Ein Jahr später ging es in den Besitz der Stadt Paris über. Der Verlauf der Strassen wurde neu angelegt, um das "Turmhaus" zu erhalten.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde Paris in der Nacht vom 26. auf den 27. August von Bombern der deutschen Luftwaffe angegriffen. Die Pariser feierten gerade die Kapitulation von General Dietrich von Choltitz, der am 7. August 1944 zum Stadtkommandant der Garnison „Groß-Paris“ ernannt worden war. Die Flugzeuge kamen aus Nordfrankreich, Belgien und Holland und verwüsteten das Marais-Viertel. Die Kreuzung der Rue des Francs-Bourgeois und der Rue Vieille-du-Temple wurde größtenteils zerstört. Insgesamt verloren 189 Menschen ihr Leben und 890 wurden verletzt, darunter 66 Tote und 118 Verletzte allein in den Straßen Rue des Francs Bourgeois, Rue Vieille du Temple und Rue Rambuteau. Das Gebäude in der Rue des Francs Bourgeois 46-48 stürzte ein und zählte allein 21 Tote!

Das Hôtel Hérouet wurde stark zerstört und befand sich lange Zeit in einem besorgniserregenden Zustand. Das Türmchen ist der einzige Teil, der nach dem Bombenangriff erhalten blieb. Nach dem Krieg fehlten die finanziellen Mittel, um das Gebäude wieder aufzubauen. Es wurde lediglich gesichert und stabilisiert. Im Jahr 1949 schlug ein Abgeordneter sogar seinen Abriss vor. Der Marais galt als verarmt, schmutzig und gesundheitsschädlich. Doch das historische Erbe von Paris sollte 1962 durch den Kulturminister André Malraux gerettet werden, der ein Gesetz zum Schutz und zur Erhaltung des Viertels erließ.
Anfang der 1970er Jahre wurde das Hôtel Hérouet schließlich wieder aufgebaut.

Heute ist der Marais zusammen mit dem Viertel Saint-Germain-des-Prés eines der begehrtesten und teuersten Viertel und eines der touristischen Zentren von Paris mit zahlreichen Museen, darunter das Musée Carnavalet - Histoire de Paris, das Musée Cognacq-Jay, Le Centre Pompidou, das Musée National Picasso-Paris oder auch das Maison de Victor Hugo.

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Hôtel de Hérouet oder Hôtel Barbette?

In vielen Artikeln ist zu lesen, dass es sich bei den beiden Herrenhäusern um dasselbe Gebäude handelt, oder dass sie miteinander verbunden waren. Die Recherchen in den Archiven von Paris brachten auch keine konkreten Antworten. Manche Quellen zeigen Zeichnungen oder Fotografien desselben Gebäude.
Für meinen Artikel bezog ich mich auf die Angaben des Musée Carnavalet - Histoire de Paris und ein Dokument von Thomas Schotter Boys auf der Homepage der Paris Musées Collections. Auf der Internetseite der Nationalbibliothek können zwei Bücher von Charles Sellier aufgerufen werden, die letztendlich einige Zweifel auffliegen lassen.

Das Hôtel Barbette befand sich in der Rue des Francs Bourgeois Nr. 38 und wurde gegen 1300 von Etienne Barbette, dem Propst der Pariser Kaufleute, auf einem Familiengrundstück, der Courtille Barbette, erbaut.
Das riesige Anwesen reichte von den Straßen Vieille-du-Temple und Francs-Bourgeois, bis zu den heutigen Rue Payenne, Rue du Parc-Royal und Rue de la Perle.

Im 14. und 15. Jahrhundert wurde es zu einer der begehrtesten fürstlichen Residenzen des Marais-Viertels.
Königin Isabeau von Bayern (Elisabeth von Bayern aus dem Haus Wittelsbach) entband hier am 23. November 1407 ein totgeborenes Kind. Louis de France, Herzog von Orléans und Bruder des Königs Charles VI, stattete der Königin einen kurzen Besuch ab, bevor er beim Verlassen des Hotels von etwa 15 maskierten Ganoven unter der Führung von Raoulet d'Anquetonville, erstochen wurde. Auftraggeber war sein eigener Cousin, Herzog von Burgund, Jean-sans-Peur (Johann Ohnefurcht).

Ein Jahrhundert später wohnte Diane de Poitiers dort und empfing die Besuche von Heinrich II.  Im Jahr 1561 teilten ihre Töchter, die Herzoginnen von Aumale und Bouillon, das Anwesen auf, um es an Privatpersonen zu verkaufen. Ein Teil der Gebäude wurde abgerissen, da 1563 die Rue Barbette und ihre Herrenhäuser am Fuße des ehemaligen Gebäudes entstanden, sowie die Rue des Trois-Pavillons und  die Rue du Parc-Royal.

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